Tierärztliche Fachkräfte aus dem Ausland – Chancen für deutsche Arbeitgeber
In vielen tierärztlichen Einrichtungen in Deutschland ist der Fachkräftemangel in der Tiermedizin längst Realität. Gerade in kurativen Praxen und Kliniken fällt es zunehmend schwer, offene Stellen mit qualifizierten Tierärzten zu besetzen. Eine vielversprechende Möglichkeit, diesem Engpass zu begegnen, ist die Anstellung von Tierärzten, die ihre Ausbildung außerhalb eines EU-/EWR-Mitgliedsstaates oder der Schweiz abgeschlossen haben.
Auch wenn Tierärzte mit Ausbildung in einem Drittstaat zunächst keinen deutschen Approbationsabschluss besitzen, können sie eine wertvolle Unterstützung im Klinikalltag sein – insbesondere in Zeiten hoher Arbeitsbelastung und Personalknappheit. Mit Offenheit, strukturierten Einarbeitungskonzepten und einem grundlegenden Verständnis für den Anerkennungsprozess können Arbeitgeber nicht nur dem Fachkräftemangel entgegenwirken, sondern auch langfristig engagierte Mitarbeitende gewinnen.
Der Weg zur Approbation – wie läuft der Anerkennungsprozess ab?
Wer außerhalb der EU, dem EWR oder der Schweiz Tiermedizin studiert hat, muss seinen Berufsabschluss in Deutschland anerkennen lassen. Ziel ist die Erteilung der Approbation, also der uneingeschränkten Berufszulassung. Da dieser Weg oft mehrere Monate oder sogar Jahre dauert, gibt es die Möglichkeit, vorab eine vorübergehende Berufserlaubnis (§ 11 BTÄO) zu erhalten. Damit dürfen Tierärzte mit Ausbildung in einem Drittstaat bereits unter Aufsicht in einer deutschen Tierarztpraxis oder -klinik arbeiten.
Der Anerkennungsprozess verläuft typischerweise in folgenden Schritten:
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Stellenzusage: Voraussetzung für viele Schritte ist ein unterschriebener Arbeitsvertrag mit einer deutschen Klinik oder Praxis.
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Visum für qualifizierte Fachkräfte: Der Antrag erfolgt bei der deutschen Botschaft im Herkunftsland. Grundlage ist u. a. die „Erklärung zum Beschäftigungsverhältnis“ durch den Arbeitgeber.
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Berufserlaubnis beantragen: Diese gilt in der Regel zwei Jahre und kann verlängert werden.
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Approbation: In vielen Fällen müssen Tierärzte aus Drittstaaten eine Fachsprachenprüfung sowie Kenntnisprüfungen absolvieren, um die Gleichwertigkeit ihres Abschlusses mit dem deutschen Studium nachzuweisen.
Erfahrungsbericht: Ein Tierarzt aus Pakistan berichtet
Die Tierarzt Herr Khattak hat ebendiesen Prozess durchlaufen ist. Während er noch in Pakistan war, hat er sich bei Praxen beworben, Bewerbungsgespräche über Video-Calls geführt und schließlich eine Stelle angeboten bekommen, die es ihm ermöglichte, nach Deutschland einzureisen.
Hier teilen wir seine Erkenntnisse:
Q: Hattest du vor deiner Bewerbung schon Kontakte nach Deutschland oder Erfahrungen mit dem deutschen System?
A: Ja, ich hatte bereits einige Kontakte zu pakistanischen Tierärzten, die in Deutschland arbeiten. Dadurch war mir der generelle Bewerbungs- und Einreiseprozess bekannt. Als ich meinen eigenen Weg begann, war deshalb nur noch wenig wirklich neu für mich.
Q: Wie hast du deine Stelle in Deutschland gefunden?
A: Nachdem ich meine B2-Prüfung in Deutsch[1] bestanden hatte, begann ich aktiv mit der Jobsuche. Der Prozess war nicht einfach – es hat zwei Monate gedauert, bis ich eine Stelle gefunden habe. Interessanterweise meldeten sich danach noch zwei weitere Kliniken, aber ich hatte mich bereits für die erste entschieden.
Ich habe viele Jobportale genutzt, darunter LinkedIn, Xing, Indeed und VetStage – leider ohne Erfolg. Letztlich hat es funktioniert, als ich Senior-Tierärzte direkt per E-Mail oder privater Nachricht kontaktiert habe.
Q: Wie verlief die Bewerbung und wie hast du dich darauf vorbereitet? Welche Unterlagen brauchtest du?
A: Für den Visumsantrag benötigte ich folgenden Unterlagen:
- Arbeitsvertrag
- Erklärung zum Beschäftigungsverhältnis
- Stellenbeschreibung (1 Seite)
- Zeugnisbewertung über die ZAB (Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen)
In meinem Fall ging alles erstaunlich schnell – der gesamte Prozess dauerte nur einen Monat, was ungewöhnlich ist, da es in Pakistan normalerweise 7-8 Monate dauert.
Das Interview bei der Botschaft war sehr einfach. Typische Fragen waren, wie ich die Stelle gefunden habe und was meine Aufgabe sein werden, sowie Fragen nach der Klinik (Gründungsjahr, Anzahl Mitarbeiter und Inhaber).
Nach dem Interview habe ich die Gebühr bezahlt und zwei Wochen später das Visum erhalten.
Q: Wie verlief der Visums-, Einreise- und Anerkennungsprozess? Hat dich dein Arbeitgeber unterstützt?
A: Die größte Herausforderung ist die Terminvergabe bei der Botschaft – darauf wartet man oft (mehrere) Monate, selbst wenn man bereits einen Arbeitsvertrag hat. Das ist derzeit das Hauptproblem für Tierärzte in Pakistan, die nach Deutschland kommen möchten.
Sobald man aber einen Termin hat, läuft der Prozess reibungslos. Mein Arbeitgeber war sehr hilfsbereit und hat alle benötigten Unterlagen innerhalb von 24 Stunden bereitgestellt. Es wurde keine Zeit verschwendet.
Q: Was war besonders herausfordernd bei deiner Ankunft in Deutschland?
A: Die Wohnungssuche war anfangs etwas schwierig. Als ich dann eine Wohnung gefunden hatte, hat mein Chef freundlicherweise die erste Miete übernommen, damit ich schnell anfangen konnte. Die Wohnung habe ich über Facebook-Gruppen gefunden.
Ich würde Arbeitgebern empfehlen, spätestens 2 Wochen vor der Ankunft des neuen Mitarbeiters eine günstige Einzelwohnung zu suchen. Das Praxisteam hat meist gute lokale Kontakte. Diese Unterstützung erleichtert die Ankunft enorm.
Q: Wie verliefen die Einarbeitung und die ersten paar Woche bis Monate im neuen Job?
A: Der Start war natürlich herausfordernd – ein Wechsel von einem Entwicklungsland in ein hoch entwickeltes Land ist nicht einfach. Aber dank meiner Deutschkenntnisse konnte ich mich gut verständigen.
Ich bekam eine strukturierte Einarbeitungsphase und das ganze Team war sehr unterstützend.
Inzwischen übernehme ich viele Narkosen bei Pferden – wir operieren etwa 60-70 Pferde pro Monat, sodass ich eine zentrale Rolle in der Klinik habe. Nach und nach haben ich auch bei orthopädischen, augenheilkundlichen, internistischen und zahnmedizinischen Untersuchungen als Assistenztierarzt mitgearbeitet.
Q: Wie verlief/verläuft der Anerkennungsprozess bisher für deine Approbation?
A: Nach Arbeitsbeginn habe ich die Berufserlaubnis beantragt – das ist eine temporäre Arbeitserlaubnis für Tierärzte, die zwei Jahre gültig ist und um weitere zwei Jahre verlängert werden kann. Eine gute Option für alle, die zunächst befristet in Deutschland arbeiten möchten.
Für die Approbation müssen Tierärzte aus Pakistan mehrere Prüfungen ablegen. Ich habe mit dem Anerkennungsprozess noch nicht begonnen, werde aber bald damit starten.
Q: Hast du Tipps, die du Arbeitgebern, die auch Tierärzte mit Ausbildung in einem Drittstaat einstellen wollen, geben kannst?
A: 1. Geben Sie jedem Bewerber aus dem Ausland zumindest die Möglichkeit zu einem Online-Interview. Wenn Sie keine ausländischen Mitarbeiter (ohne Approbation) einstellen möchten, schreiben Sie das bitte klar in die Stellenausschreibung.
2. Nicht jeder Bewerber hat jahrelange Erfahrung – aber viele bringen Leidenschaft und Lernbereitschaft mit. Eine Einstiegsperiode oder ein Praktikum kann ein idealer Start sein.
3. Viele Arbeitgeber wissen nicht, wie der Einstellungsprozess bei ausländischen Fachkräften funktioniert – dabei ist er gar nicht kompliziert. Bitten Sie den Bewerber, eine Kontaktperson in Deutschland zu benennen, die den Prozess bereits durchlaufen hat – diese kann Ihnen alles erklären.
Q: Hast du Tipps für Tierärzte mit Ausbildung in einem Drittstaat, die nach Deutschland kommen wollen, um hier zu arbeiten?
A: 1. Lernen Sie Deutsch so gut wie möglich. Gute Sprachkenntnisse sind der Schlüssel – viele Kliniken bringen Ihnen die tierärztlichen Fähigkeiten gerne bei, aber die Sprache müssen Sie selbst beherrschen.
2. Knüpfen Sie frühzeitig Kontakte zu deutschen Tierärzten – das hilft bei der Jobsuche enorm.
3. Informieren Sie sich genau über den Visumsprozess, damit Sie ihn Ihrem potenziellen Arbeitgeber erklären können.
4. Haben Sie einen klaren Karriereplan und teilen Sie diesen im Bewerbungsgespräch – das zeigt Engagement und erleichtert dem Arbeitgeber, Sie gezielt zu fördern.
Zusatz: Der schnellere Weg – „Beschleunigtes Fachkräfteverfahren“
Es gibt ein beschleunigtes Fachkräfteverfahren, das vom Arbeitgeber über die lokale Ausländerbehörde beantragt wird. Die Bearbeitungszeit beträgt ca. 4 Wochen und die Gebühr von 411 € wird vom Arbeitgeber bezahlt. Mit diesem Verfahren kann ein Tierarzt mit Ausbildung in einem Drittstaat innerhalb von 7-8 Wochen seine Tätigkeit in der Klinik aufnehmen.
Benötigte Unterlagen:
- Farbkopie des Reisepasses (Gültigkeit noch mind. 6 Monate)
- Vollmacht, ggf. zusätzliche Untervollmacht
- Erklärung zu bereits beantragten oder durchgeführten Visaverfahren
- Tabellarischer Lebenslauf
- Von Arbeitgeber und Arbeitnehmer unterzeichneter Arbeitsvertrag ODER konkretes Arbeitsplatzangebot mit diesen Bestandteilen
- Nachname, Vorname
- Geburtsdatum
- Tätigkeits-/Berufsbezeichnung
- Angabe, ob befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis
- Monatliche Brutto-Vergütung
- Wochenarbeitszeit
- Urlaubsanspruch pro Kalenderjahr
- Qualifikationsnachweis einer qualifizierten Hochschulausbildung: mindestens Bachelor-Diplom (in ausgestellter Landessprache sowie deutscher, beglaubigter Übersetzung – außer bei englischer Sprache)
- Zeugnisbewertung
- Erklärung zum Beschäftigungsverhältnis (EzB)
Fazit: Eine echte Chance für beide Seiten
Die Einstellung von Tierärzte mit Ausbildung in einem Drittstaat kann für Arbeitgeber eine Win-Win-Situation sein – wenn man bereit ist, sich auf den Anerkennungsprozess einzulassen und neue Kollegen aktiv zu unterstützen. Wer frühzeitig informiert ist und mit Struktur an das Thema herangeht, kann nicht nur dringend benötigte Fachkräfte gewinnen, sondern auch ein vielfältiges, engagiertes Team aufbauen.
Herr Khattak steht gerne für weitere Fragen zur Verfügung. Bei Interesse, stellen wir gerne einen Kontakt her.
[1] Ausländische Tierärzte müssen zum Erlangen einer Berufserlaubnis in Deutschland Deutsch mindestens auf B2-Niveau beherrschen. Dazu ist eine Prüfung an einer anerkannten Prüfstelle/Sprachschule notwendig, um dies nachzuweisen.
Quellen: anerkennung-in-deutschland.de






